Universität Bielefeld
50 Jahre
Fakultät für Mathematik
Chronik

Erste Berufungen

Prof. Dr. Helmut Lenzing war während der Gründungsphase der Universität Bielefeld assistentisches Mitglied der Berufungskommission Mathematik. Zu den ersten Berufungen an die neue Fakultät schreibt er:

Die ersten Bielefelder Berufungen

Bielefeld hatte das Glück, seit 1965 mit großem zeitlichen Vorlauf durch Bildung eines Gründungsausschusses und eines Wissenschaftlichen Beirats geplant zu werden. Die Mathematik war in beiden Gremien mit je einem Mathematiker vertreten, Friedrich Hirzebruch (Bonn) im Gründungsausschuss und Karl Peter Grotemeyer (FU Berlin) im Wissenschaftlichen Beirat.

Beide waren damit automatisch für eine Bielefelder Professur gesetzt. Der Differentialtopologe Hirzebruch, der auch den Vorsitz der Fachbereichskommission Mathematik und der zugehörigen Berufungskommission Mathematik übernahm, entschied sich frühzeitig, in Bonn zu bleiben; er sollte der dortigen Mathematik einen führenden Platz in der Bundesrepublik sichern.

Der Differentialgeometer Grotemeyer, in der Berliner FU über die Fachgrenzen hinweg sehr angesehen und einflussreich und als charismatischer Lehrer bei den Studenten sehr beliebt, schwankte lange, ob er den Bielefelder Ruf annehmen oder in Berlin bleiben sollte. Erst kurz vor Eröffnung der Universität im September 1969 nahm er den Bielefelder Ruf an und kam dann gleich mit dem Großteil seines Instituts, 3 Habilitierten, mehr als 10 wissenschaftlichen Mitarbeitern und einer großen Gruppe von Studenten. (Grotemeyer sollte dann als Rektor der Universität bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1992 die Bielefelder Universität erfolgreich leiten.)

Zuvor, im Januar 1969, wurde der Gruppentheoretiker Jens Mennicke (Göttingen) als erster Professor der Bielefelder Mathematik berufen. Mennicke, ein Fachmann der diskreten Gruppentheorie, hatte zuvor eine später berühmt gewordene Arbeit, in welcher er das von Bass und Serre so genannte Mennicke-Symbol einführte, in den prestigeträchtigen Annals of Mathematics publiziert.

Es folgte die Rufannahme von Andreas Dress (FU Berlin und Princeton). Dress, ein sehr vielseitiger Mathematiker, startete seine Bielefelder Karriere mit einem groß angelegten gruppentheoretischen Projekt (Burnside-Ringe endlicher Gruppen) mit welchem er viele Diplomanden und Doktoranden begeisterte. Er sollte später seinen Schwerpunkt in der mathematischen Biologie finden.

Mennicke hatte bei seinen Berufungsverhandlungen ein umfangreiches Personalpaket vorgelegt, welches – später realisiert – die Berufung von zwei weiteren Professoren, Bernd Fischer (Frankfurt) und Helmut Behr (Göttingen), vorsah. Fischer war bekannt durch seine Beiträge zur Klassifikation endlicher einfacher Gruppen; nach ihm sind mehrere solche Exemplare benannt, darunter das sogenannte Fischer-Monster. Das Arbeitsgebiet von Behr waren die arithmetischen Gruppen, ein Gebiet mit vielfältigen Verzweigungen zur Zahlentheorie und Geometrie.

Beim Start der Bielefelder Universität war damit ein gruppentheoretischer Schwerpunkt gesetzt. Der Aufbau von Analysis und Topologie startete danach mit den Berufungen des algebraischen Topologen Friedhelm Waldhausen (1938–) und des Analytikers Wolfhard Hansen (1940–). Später folgten Horst Leptin (1927–2017) mit dem Schwerpunkt „Harmonische Analyse“ und der Stochastiker und Statistiker Klaus Krickeberg (1929–). Der weitere Aufbau der mathematischen Anwendungen erfolgte erst später.

Prof. Lenzing hat am 3. Mai 2018 im Kolloquium der Fakultät für Mathematik einen Vortrag zum Thema „Der Start der Bielefelder Fakultät für Mathematik“ gehalten und freundlicherweise seine Vortragsfolien zur Verfügung gestellt.

Um die ersten Jahre der Universität Bielefeld und der Fakultät für Mathematik ging es auch in einem Kolloquiumsvortrag von Prof. Dr. Winfried Scharlau, den dieser am 18. Januar unter dem Titel „Die Gründung der Universität Bielefeld – Erinnerungen an die Jahre 1965–1972“ hielt. Auch Prof. Scharlau hat seine Vortragsfolien freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Als weiteres Material steht ein Bewerbungsmerkblatt von 1972 zur Verfügung.