Universität Bielefeld
50 Jahre
Fakultät für Mathematik
Chronik

Fachschaft

Die Fachschaft Mathematik wurde Anfang der Siebziger Jahre durch einige Studierende gegründet. Seitdem hat sie das Ziel und die Aufgabe, die Interessen der Studierenden der Fakultät zu vertreten. Ein fester Bestandteil dieser wichtigen Aufgabe ist unser MathInfo, das zur Zeit einmal im Semester erscheint. Dies ist seit Gründung mit wenigen Ausnahmen ununterbrochen erschienen und hilft uns, die Studierenden über alles zu informieren, was in der Fakultät und der Universität so vorgeht.

Das unterlag stetigem Wandel. Ob physisch vom fotokopierten Flickenwerk zum Hardcover-Farbdruck oder inhaltlich vom weltpolitischen Pamphlet zum Nachschlagwerk für Lehr-Evaluationen. Fangen wir daher mit einer der ersten Ausgaben an, die den damaligen Zeitgeist an unserer Fakultät am bestens widerspiegelt:

Sommersemester 1972: Vietnam und Mathematik

Der Siegeszug der Truppen der Demokratischen Republik Vietnam hält trotz des verschärften Bombardements durch die US-Bomben noch an. An unserer Fakultät haben die Proffessoren Dress und Krickeberg in einem Brief zu Bücher- und Geldspenden für die DRV aufgerufen. In dem Brief heißt es u.a: "Es ist vielleicht nicht allgemein bekannt daß in der DRV (Nordvietnam) eine intensive Beschäftigung mit der Mathematik stattfindet. Unsere vietnamesischen Kollegen sowie die Studenten sind sehr an wissenschaftlichen Kontakten mit dem Ausland interessiert, um so am Fortschritt der Mathematik teilnehmen zu können."

Meistens sind die Fakultät und die Fachschaft gut miteinander ausgekommen, allerdings gab es einige Ausnahmen, die sogar zur zeitweisen Einstellung des MathInfos geführt haben, da die Differenzen zwischen Dekanat und Fachschaft unüberwindbar erschienen:

Sommersemester 1981: Zensur von der Poststelle mit Unterstützung der Fakultät

[...]

Da als Absender die FS genannt war, weigerte sich die Poststelle die Infos zu Lasten der Fakultät zu verschicken.

Begründung: "Wir verschicken keine politische Propaganda für die FS'en und auch nicht für die Fakultäten. Soll doch der AStA das bezahlen."

Die "politische Propaganda" bezieht sich auf einen Artikel, in dem die Kürzungen und deren Auswirkungen auf unsere Universität beschrieben wird.
Außerdem haben wir dort auch geschrieben wo das Geld bleibt, nämlich in der Rüstung und begründet, warum wir keine neuen Mittelstreckenraketen und keine Neutronenbimbe wollen. Naja, jedenfalls haben wir dann im Dekanat vorgeschlagen, die Fakultät solle die Kosten für die Verschickung der Infos wie in jeden Jahr übernehmen, und der Paststelle klarmachen, daß es nicht ihre Aufgabe ist, politsche Zensur zu üben(vielleicht werden demnächst auch keine Briefe der Fakultät mehr an den Minister verschickt, wenn die Fakultät unverschämterweise Kritik übt.). Dieser Vorschlag wurde von den Vertretern der anderen Statusgruppen abgelehnt, Begründung waren:

Das Wort Neutronenbombe habe in Math-Infos nichts zu suchen (Fischer).

[...]

Ihr wundert Euch vielleicht, warun wir so allgemein von Math-Infos schreiben. Angefangen hat es mit der Verschickung von Erstsemester-Infos. Aber die Kritik des Landesrechnungshofes bezieht sich auf alle Infos. Auch die Überlegungen gewisser Herren, worüber wir schreiben dürfen, beziehen sich auf alle Infos. Herr Fischer hat bereits angekündigt, daß er sich dieses Info genau ansehen wird. Er hat uns geraten, solche Dinge wie Neutronenbombe gar nicht erst zu erwähnen, dann sähe er auch keinen Grund, das Erscheinen des Infos zu verhindern, bzw. die Druckvorlagen zu zensieren. Mit einer solchen Zensur knüpft er an das Verhalten von Herrn Elsner im SS 79 an, der damals ein Math-Extra-Info zu Kernkraftwerken zum Anlaß nahmen den Druck des folgenden Infos zu verhindern. Genau wie damals werden wir heute weder Selbstzensur üben, noch uns von einem Dekan die Artikel zensieren lassen!!

Glücklicherweise kann man sagen, dass sich die Fachschaft heute keine Sorgen mehr um Zensur machen muss. Einerseits liegt das daran, dass wir nicht mehr im Kalten Krieg mit seiner Militarisierung leben, andererseits auch daran, dass die Fachschaft eine gute Beziehung zur Fakultät pflegt und wir in vielen Bereichen eng zusammenarbeiten.

So wie Fachschaft und Fakultätsverwaltung über die Jahre zusammenfanden, so hat einige Zeit später auch Deutschland ein Einigungsprozess erlebt:

Wintersemester 1989: Konferenz der Mathe-Fachschaften des deutschsprachigen Raums

[...]

Die „Top-Attraktion“ der KoMa war dort sicherlich die Tatsache, daß zum ersten Mal einige Mathe- und Physik-Studierende aus der DDR, und zwar aus Ost-Berlin, anwesend waren. Natürlich haben wir aus diesem Grund ein spezielles Plenum zum Thema DDR veranstaltet, in dem es zum einen um die Studiensituation in unserem Nachbarland, andererseits aber auch um die aktuelle politische Lage dort ging.

Das Studiensysten in der DDR ist sehr stark verschult. Für alle Semester sind die Studieninhalte festgelegt und enden jeweils in Prüfungen, die zu bestehen sind, um das Studium weiterzuführen. Dementsprechend dauert ein Studium in der DDR auch genau 5 Jahre, und es besteht nicht die Möglichkeit der Verlängerung.

Zum Studium gehör(t)en bisher neben der jeweiligen Fachausbildung auch Marxismus-Leninismus (3 Jahre lang, mit Prüfungen), Sprachausbildung in Russisch und Englisch sowie Sport.

[...]

Interessant ist auch die soziale Situation der Studierenden in der DDR. Jede/r erhält ein Grundstipendium in Höhe von 200,- Mark und dann werden noch Leistungsstipendien vergeben. Wohnungsprobleme gibt es auch nicht, weil alle StudentInnen automatisch einen Wohnheimplatz bekommen. Von einer solchen Regelung kann man bei uns wohl nur träumen!

[...]

Mitte der Neunziger untersuchte die Fachschaft im MathInfo dann ein Thema, dass noch bis heute für Aufmerksamkeit sorgt. Sogar die Stadt Bielefeld schrieb eine Million Euro für den Gegenbeweis aus:

Existiert Bielefeld wirklich?

Auch wenn wir als Fachschaft bis heute eine Antwort auf diese Frage schuldig bleiben, so beweist sie doch eines: Das MathInfo ist seit nun fast 50 Jahren ein steter Begleiter der Fachschaft Mathematik und ihrer Studierenden. Es weiß stets mit spannenden, lustigen und wichtigen Dingen aufzuwarten und wird uns auch in der Zukunft stets zuverlässig informieren.

Genauso wie die Fachschaft weiterhin für die Studierenden eintritt.

(Alle Ausschnitte stammen aus der Math-Info Sonderedition für das 50-jährige Jubiläum der Fakultät Mathematik.)