Perspektive in der Mathematik

(Vorlesungszusammenfassung)

Bildentstehung bei Zentralprojektion

Der Sehstrahl vom Betrachtungspunkt zu einem Punkt des Originals durchstößt die Bildebene im zugehörigen Bildpunkt. (Bild)

Die Sehstrahlen zu den Punkten einer Originalgeraden liegen in der Ebene, die durch diese Gerade und den Betrachtungspunkt geht. Sie füllen eine Halbebene, die begrenzt wird durch die Parallele zur Originalgeraden, die durch den Betrachtungspunkt geht.

Liegt die Originalebene parallel zur Bildebene, so ist das Bild eine Gerade, die parallel zur Originalgeraden liegt. Andernfalls ist das Bild einer Geraden ein Strahl, dessen Anfangspunkt man den Fluchtpunkt nennt. Die Parallele zur Originalgeraden durch den Betrachtungspunkt durchstößt die Bildebene im zugehörigen Fluchtpunkt.

Zwei parallele Originalgeraden, die parallel zur Bildebene liegen, haben parallele Bilder. Zwei parallele Originalgeraden, die nicht parallel zur Bildebene liegen, haben denselben Fluchtpunkt.

Die Sehstrahlen zu den Punkten einer Originalebene füllen einen Halbraum. Ist die Originalebene parallel zur Bildebene, so ist ihr Bild die gesamte Bildebene. Andernfalls ist das Bild eine Halbebene, dessen Rand man die Fluchtgerade nennt. Die Parallele zur Originalgeraden durch den Betrachtungspunkt durchstößt die Bildebene in der Fluchtgeraden. (Beispiel: Horizont.)

Liegt eine Originalgerade in einer Originalebene, so liegt ihr Fluchtpunkt auf der Fluchtgeraden.

Liegt in einer Originalebene ein doppelt periodisches Muster, so entstehen unendlich viele Scharen paralleler Geraden (z. B. diagonale) mit den zugehörigen Fluchtpunkten. (Bild)

Bestimmung des Betrachtungspunktes

Liegt eine Originalgerade senkrecht zur Bildebene, so befindet sich der Betrachtungspunkt genau vor ihrem Fluchtpunkt. (Bild)

Liegt eine Originalebene senkrecht zur Bildebene, so befindet sich der Betrachtungspunkt genau vor ihrer Fluchtgeraden.

Stehen zwei Originalgeraden zueinander senkrecht, so sieht man ihre Fluchtpunkte vom Betrachtungspunkt aus unter einem rechten Winkel. Nach der Umkehrung des Satzes des Thales liegt der Betrachtungspunkt auf der Kugel mit der Verbindungsstrecke der beiden Fluchtpunkte als Durchmesser.

Stehen drei Originalgeraden zueinander senkrecht und ist keine parallel zur Bildebene, so bilden ihre Fluchtpunkte ein Dreieck. Dabei hat der Betrachtungspunkt von zwei Seitenmittelpunkten jeweils dieselben Abstände wie der gemeinsame Eckpunkt dieser Seiten. Der Fluchtpunkt liegt also auf der Ebene durch diese Ecke, die auf der Verbindungsstrecke zweier Seitenmittelpunkte senkrecht steht. Diese Ebene schneidet die Bildebene in einer Höhe des Fluchtpunktdreiecks. Folglich liegt der Betrachtungspunkt genau vor dem Höhenschnittpunkt (Orthozentrum) dieses Dreiecks.

Konstruktion der Zentralprojektion eines Würfels

Gegeben seien drei Punkte A, B und C als Fluchtpunkte der Würfelkanten. Wählen wir einen beliebigen ersten Eckpunkt (richtiger: sein Bild) E', so liegen die von ihm ausgehenden Kanten auf den Verbindungsstrecken mit den Fluchtpunkten. Wahlen wir auf E'B einen zweiten Eckpunkt F', können wir ihn mit den Fluchtpunkten A und C verbinden. Der dritte Eckpunkt G' auf F'C kann nicht beliebig gewählt werden, weil EG die Winkelhalbierende des Winkels BEC sein muss. Darum muss G der Schnittpunkt der Strecken F'C und E'D sein, wobei D der diagonale Fluchtpunkt zwischen B und C ist.

Um D zu finden, klappen wir das rechtwiklige Dreieck OBC (wobei O denBetrachtungspunkt bezeichnet) gedanklich um die Seite BC in die Zeichenebene. Das Bild O1 von O liegt dann auf der Höhe des Dreidecks ABC durch A und dem Kreis mit dem Durchmesser BC, lässt sich also einfach konstruieren. Der diagonale Fluchtpunkt D ist der Schnittpunkt der Winkelhalbierenden des Winkels BO1C mit der Strecke BC.

Analog verfährt man mit einer weiteren Seite des Fluchtpunktdreiecks, so dass man eine weitere Seitenfläche der Würfelprojektion im richtigen Seitenverhältnis zeichnen kann. Danach lässt sich der Würfel leicht vervollständigen, indem man vorhandene Eckpunkte mit den Fluchtpunkten verbindet und neue Eckpunkte als Schnittpunkte solcher Verbindungsstrecken gewinnt.

Grundbegriffe der projektiven Geometrie

Die Bildentstehung in einer Lochkamera legt nahe, statt Sehstrahlen bzw. Projektionsstrahlen eher Projektionsgeraden zu betrachten. Dann hat z. B. bei einer Zentralprojektion von einer Geraden auf eine andere, nichtparallele Gerade jeder Punkt der Bildgerade mit Ausnahme des Fluchtpunktes ein Urbild auf der Originalgeraden. Das Inverse einer solchen Zentralprojektion ist wieder eine Zentralprojektion. So gibt es auch auf der Originalgeraden einen Fluchtpunkt, dem kein Bildpunkt entspricht, weil die Projektionsgerade parallel zur Bildgerade liegt.

Es liegt nahe, beide Geraden durch unendlich ferne Punkte zu vervollständigen, die bei der Projektion auf die Fluchtpunkte abgebildet werden. Nähert sich der Bildpunkt dem Fluchtpunkt mal von der einen, mal von der anderen Seite, so entflieht der entsprechende Originalpunkt mal nach der einen, mal nach der anderen Seite ins Unendliche. Darum vervollständigt man eine Gerade durch einen einzigen unendlich fernen Punkt zur projektiven Gerade.

Wird im Raum eine Ebene zentral auf eine andere, nichtparallele Ebene projiziert, so sollten die Fluchtgerade aus den Bildern unendlich ferner Punkte der Originalebene bestehen, die gewissermaßen auf dem Horizont liegen. Zwei parallele Geraden in der Originalebene haben denselben Fluchtpunkt, darum fügt man für jede Schar paralleler Geraden nur einen unendlich fernen Punkt zur Ebene hinzu, um die projektive Ebene zu erhalten.

Jedem Originalpunkt entspricht eindeutig eine Projektionsgerade, aber nicht jede Gerade durch das Projektionszentrum geht durch einen Punkt der Originalebene. Die Überzähligen Geraden entsprechen genau den unendlich fernen Punkten.

Somit ergibt sich folgende Konstruktion des projektiven Raumes als Vervollständigung eines Euklidischen Raumes E: Man bettet E in einen Euklidischen Raum E' ein, der eine Dimension mehr hat, und wählt einen Punkt O außerhalb von E und bezeichnet die Menge aller Geraden durch O als projektiven Raum P. Diese Geraden bezeichnet man als die Punkte des projektiven Raumes. Man bildet E in P ab, indem man einem Punkt A von E die Gerade OA zuordnet.

Bewegt sich ein Punkt B in einem Euklidischen Unterraum F von E, so überstreicht die Gerade OB einen Unterraum F' mit Ausnahme des zu F parallelen Unterraums durch O. Darum liegt es nahe, als projektiven Unterraum von P die Menge aller Geraden durch O zu bezeichnen, die in einem Euklidischen Unterraum F' von E' liegen, der O enthält.

Die Punkte von P, die nicht zu (dem Bild von) E gehören, sind genau die Geraden durch O in dem zu E parallelen Unterraum durch O, sie bilden also einen projektiven Unterraum von P. Diesen nennt man den unendlich fernen Unterraum. So ist z. B. eine projektive Ebene die Vereinigung einer Euklidischen Ebene und der unendlich fernen Geraden. In der Struktur der projektiven Ebene ist die unendlich ferne Gerade nicht von den anderen Geraden zu unterscheiden. In der Tat wird bei einer Zentralprojektion auf eine andere projektive Ebene die unendlich ferne Gerade i. Allg. auf eine gewöhnliche Gerade abgebildet.

Der Begriff der projektiven Ebene ist nützlich, weil sich in ihm zwei verschiedene projektive Geraden immer in genau einem Punkt schneiden. Dies erspart im Vergleich zur Euklidischen Geometrie viele Fallunterscheidungen.

Es gibt bekanntlich eine glatte (d. h. beliebig oft differenzierbare) monoton wachsende Funktion auf der reellen Geraden, die ein beschränktes offenes Intervall als Wertebereich hat. Dieses Intervall kann man zu einem Kreis zusammenbiegen und mit einem Punkt schließen. Damit hat man die projektive Gerade stetig in die Euklidische Ebene eingebettet, wobei der unendlich ferne Punkt auf den zuletzt  eingefügten Punkt abgebildet wird.

Die projektive Ebene kann man glatt in den vierdimensionalen Raum einbetten. Es gibt auch eine glatte Abbildung ohne Knicke, aber mit Selbstüberschneidungen (eine sogenannte Immersion) in den dreidimensionalen Raum.

Axiome der projektiven Geometrie

Statt die projektive Ebene oder den projektiven Raum mit Hilfe der Euklidischen Geometrie zu konstruieren, sollte man die projektive Geometrie an den Anfang stellen, denn ihr Axiomensystem ist einfacher als das der Euklidischen Geometrie. Am Anfang stehen die Inzidenzaxiome.

Inzidenzaxiome der ebenen projektiven Geometrie in naiver Formulierung:

  1. Es gibt eine Gerade und einen Punkt, der nicht auf dieser Geraden liegt.
  2. Auf jeder Geraden liegen mindestens drei Punkte.
  3. Durch zwei beliebige verschiedene Punkte geht genau eine Gerade.
  4. Zwei beliebige Geraden haben wenigstens einen gemeinsamen Punkt.

Strenggenommen muss man Grundbegriffe und Aussagen über diese Begriffe an den Anfang stellen, in diesem Fall die Begriffe Punkt, Gerade und die Aussage (oder Relation) Inzidenz. Dann lauten dieselben Axiome:

  1. Es gibt einen Punkt und eine Gerade, die nicht inzident sind.
  2. Jede Gerade ist mit mindestens drei Punkten inzident.
  3. Zwei beliebige verschiedene Punkte sind mit genau einer Geraden inzident.
  4. Zwei beliebige Geraden sind mit wenigstens einem Punkt inzident.

Man kann dann beweisen:

Aus jeder beweisbare Aussage entsteht eine beweisbare Aussage, wenn man die Worte Punkt und Gerade vertauscht (Dualität).

Definition: Es seien g und g' Geraden in einer projektiven Ebene und O ein Punkt, der weder mit g noch mit g' inzident ist. Die Perspektive von g nach g' mit dem Zentrum O ist die Abbildung, bei der ein Originalpunkt A auf g und sein Bildpunkt A' auf g' mit O auf einer Geraden liegen.

Satz: Durch eine Folge von drei Perspektiven kann man drei beliebige Punkte A, B, C auf einer Geraden g auf drei beliebige Punkte A', B', C' auf einer Geraden g' in dieser Reihenfolge abbilden. Sind die Geraden verschieden, so genügen zwei Perspektiven.

Satz: Es seien A, A', B, B' paarweise verschiedene Punkter auf einer Geraden. Dann gibt es eine Folge von drei Perspektiven, die A mit A' und B mit B' vertauscht.

Definition: Eine Folge (in heutigem Sprachgebrauch: Verkettung) von mehreren Perspektiven nennt man Projektivität.

Das duale Objekt zur Menge der Punkte auf einer Geraden ist die Menge der Geraden durch einen Punkt, genannt Geradenbüschel. Eine Perspektive von dem Geradenbüschel durch einen Punkt O auf eine Gerade g nicht durch O ordnet jeder Geraden durch O ihren Schnittpunkt mit g zu. Analog definiert man eine Perspektive von einer Geraden auf ein Büschel.  Die oben definierte Perspektive von einer Geraden auf eine andere ist die Verkettung von zwei Perspektiven: Von der einen Geraden auf das Büschel durch das Zentrum und von diesem Büschel auf die zweite Gerade. Natürlich kann man auch Projektivitäten zwischen Geraden und Büscheln definieren.

Bei dem bisherigen Herangehen gibt es nur eine einzige Ebene. Will man mehrere Ebenen gleichzeitig betrachten, muss man sie als Mengen definieren. Die Axiome werden zu Eigenschaften, die eine solche Menge erfüllen muss.

Definition: Ein n-dimensionaler projektiver Raum ist eine Menge P, in der für jede Zahl k zwischen -1 und n bestimmte Teilmengen ausgezeichnet sind, die man k-dimensionale (projektive) Unterräume nennt, so dass für beliebige Unterräume X und Y gilt:

  1. Der einzige Unterraum der Dimension -1 ist der leere Unterraum, der einzige n-dimensionale Unterraum ist P, und jeder Punkt bildet einen nulldimensionalen Unterraum.
  2. Der Durchschnitt zweier Unterräume ist ein Unterraum.
  3. Ist X enthalten in Y, so ist die Dimension von X höchstens gleich der von Y, und die Dimensionen sind genau dann gleich, wenn X= Y.
  4. Ist U der Durchschnitt von X und Y und ist V der kleinste Unterraum, der X und Y enthält, so gilt dim U + dim V = dim X + dim Y.

Jeder projektive Unterraum ist dann selbst ein projektiver Raum.

Man kann auch Perspektiven zwischen Unterräumen der Dimension n-1 in einem n-dimensionalen projektiven Raum betrachten.

Der Satz von Desargues über Dreiecke

Satz: Wenn die Verbindungsgeraden entsprechender Ecken zweier Dreiecke durch einen Punkt gehen, so liegen die Schnittpunkte von entsprechenden Seiten auf einer Geraden.

Sind also Dreiecke ABC und A'B'C' gegeben, so dass die Geraden AA', BB' und CC' einen Punkt O gemeinsam haben, und bezeichnen wir den Schnittpunkt von BC und B'C' mit D, den Schnittpunkt von CA und C'A' mit E und den von AB und A'B' mit F, so liegen D, E und F auf einer Geraden o.

Beweis. Zunächst betrachten wir den Fall, dass die beiden Dreiecke in verschiedenen Ebenen liegen. Dann liegen sie mit O in einem dreidimensionalen Raum, und wir bezeichnen den Durchschnitt der beiden Ebenen mit o. Nun kann O in keiner der beiden Ebenen liegen, also schneidet die Ebene OBC die erste Ebene in der Geraden BC und die zweite in der Geraden B'C'. Der Schnittpunkt E der beiden Geraden existiert also, es ist der Schnittpunkt der Ebene OBC mit o. Analog finden wir, dass F und G existieren und auf o liegen.

Nun kommen wir zu dem Fall, dass beide Dreiecke in derselben Ebene liegen. Dann wählen wir uns einen Punkt O' außerhalb der Ebene und einen weiteren Punkt O1 auf der Geraden OO'.  Da die Geraden O'A und O1A' in der Ebene O'OA liegen, schneiden sie sich in einem Punkt A1, und analog konstruieren wir die Punkte B1 und C1. Nun sind die Ebenen A1B1C1 und A'B'C' verschieden, schneiden sich also in einer Geraden o. Nach dem Bewiesenen liegt der Schnittpunkt D1 von B1C1 und B'C' auf o. Nun ist D1 aber der Schnittpunkt der Geraden o mit der Ebene O'B1C1, die nichts anderes ist als die Ebene O'BC. Also liegt D1 auch auf der Geraden BC und stimmt folglich mit D überein. Analog zeigt man, dass auch E und F auf o liegen.

In einer projektiven Ebene, die sich nicht in einen höherdimensionalen projektiven Raum einbetten lässt, gilt der Satz von Desargues i. Allg. nicht.
Die Umkehrung des Satzes von Desargues ergibt sich aus dem Satz selbst durch Dualisierung.

Satz: Eine Projektivität sei die Verkettung einer Perspektive von einem Büschel auf eine Gerade und einer zweiten Perspektive auf eine andere Gerade. Dann kann man dieselbe Projektivität erzeugen, indem man die erste Gerade und das zweite Zentrum verändert. Dazu kann man eine beliebige Gerade durch den Schnittpunkt der beiden gegebenen Geraden oder ein beliebiges Zentrum auf der Geraden durch die gegebenen Zentren wählen.

Satz: Ist eine Perspektive von einer Geraden auf eine zweite und eine weitere Perspektive von dieser Geraden auf eine dritte gegeben, wobei die drei Geraden verschieden sind, aber durch einen Punkt gehen, so ist die Verkettung der beiden Perspektiven wieder eine Perspektive.

Folgerung: Eine Projektivität zwischen verschiedenen Geraden einer Ebene lässt sich als Verkettung von zwei Perspektiven darstellen.

Der Hauptsatz der projektiven Geometrie und der Satz von Pappus

Wir haben gesehen, dass man mit Hilfe einer Projektivität zwischen zwei Geraden in einer Ebene drei beliebig vorgegebene Punkte der einen Geraden auf drei beliebig vorgegebene Punkte der anderen Geraden abbilden kann. Setzt man zusätzlich Axiome der Ordnung und der Stetigkeit voraus, so kann man beweisen:

Hauptsatz: Sind auf zwei Geraden je drei verschiedene Punkte gegeben, so gibt es genau eine Projektivität der einen Geraden auf die andere, die die drei Punkte der ersten Geraden in vorgegebener Reihenfolge auf die drei Punkte der zweiten Geraden abbildet.

Die Existenz haben wir schon früher gezeigt, die Betonung liegt also hier auf der Eindeutigkeit.

Dieser Satz lässt sich auf höhere Dimensionen verallgemeinern: Es gibt genau eine Projektivität zwischen n-dimensionalen Unterräumen, die n+1 vorgegebene Punkte des einen in n+1 vorgegebene Punkte des anderen überführt.

Will man keine Ordnungs- und Stetigkeitsaxiome verlangen, so kann man den Hauptsatz als weiteres Axiom voraussetzen und erhält andere Geometrien.

Satz (Pappus): In einer Ebene seien auf einer Geraden die Punkte A, B und C, auf einer zweiten Geraden die Punkte A', B' und C' gegeben. Wir bezeichnen den Schnittpunkt der Geraden AB' und A'B mit C'', den von BC' und B'C mit A'' sowie den von CA'C'A mit B''. Dann liegen die Punkte A'', B'' und C'' auf einer Geraden.

Umformulierung: Liegen die Ecken eines Sechsecks abwechselnd auf zwei Geraden, so liegen die Schnittpunkte gegenüberliegender Seiten auf einer Geraden.

Man kann diese Konfiguration als einen Dreierzyklus von einander einbeschriebenen Dreiecken deuten, indem wir die Punkte wie folgt umbenennt: ABCA'B'C'A''B''C'' wird zu AB1CA1B2C1A2BC2.

Beweis: Es sei B der Schnittpunkt von A1C mit A2C2 und B' der Schnittpunkt von AC1 mit A2C2. Wir müssen zeigen, dass B=B'A1C1 und A2C2 mit D, den von A1B1 und A2B2 mit E sowie den von B1C1 und B2C2 mit F. Nun werden die Punkte A2BC2D in dieser Reihenfolge durch die Perspektive mit Zentrum A1 auf die Punkte A2CEB2 abgebildet, diese wiederum durch die Perspektive mit Zentrum B1 auf die Punkte FAC2B2 und diese schließlich durch die Perspektive mit Zentrum C1 auf die Punkte A2B'C2D. Die durch Verkettung dieser Perspektiven entstehende Projektivität hat auf den Punkten A2, C2 und D denselben Effekt wie die identische Abbildung, muss also nach dem Hauptsatz mit ihr übereinstimmen.

Folgerung: Für eine Projektivität zwischen verschiedenen Geraden g und g' einer Ebene existiert genau eine Gerade h, so dass für beliebige Punkte P, Q auf g und ihre Bilder P', Q' auf g' der Schnittpunkt von PQ' und P'Q auf h liegt.

Beweis: Es seien A, B, C verschiedene Punkte auf g und A', B' , C' ihre Bilder auf g'.  Dann existiert genau eine Gerade h, die die geforderte Eigenschaft wenigstens für Paare aus den drei gegebenen Punkten und ihre Bilder hat.  Die Verkettung der Perspektive von g auf h mit Zentrum A' und der Perspektive von h auf g' mit Zentrum A hat denselben Effekt auf die Punkte A, B, C wie die gegebene Perspektive, muss also mit ihr übereinstimmen. Nun können wir diese Verkettung von Perspektiven auf beliebige Punkte P, Q auf g anwenden, und die Behauptung folgt durch Anwendung des Satzes von Pappus auf A, P und Q.

Harmonische Quadrupel

Um den Mittelpunkt M einer Strecke AB in einer Ebene zu finden, kann man Geraden g durch A und h durch B wählen, die weder untereinander noch zu AB parallel sind. Ist g' die Parallele zu g durch B und h' die Parallele durch A zu h, und ist R der Schnittpunkt von g und h' sowie S der von g' und h, so ist M der Schnittpunkt von AB und RS, weil sich die Diagonalen im Parallelogramm gegenseitig halbieren.

Vervollständigen wir die Ebene zu einer affinen Ebene und bezeichnen wir mit L den unendlich fernen Punkt von AB, mit P den von g und g' sowie mit Q den von h und h', so lässt sich die Konstruktion von M wie folgt beschreiben: Auf einer Geraden durch L wähle man Punkte P und Q. Es sei R der Schnittpunkt von AQ und BP sowie S der von AP und BQ. Dann ist M der Schnittpunkt von AB und RS.

Vergessen wir, welche Punkte unendlich fern waren, so haben wir zu verschiedenen Punkten A, B und L auf einer Geraden in einer projektiven Ebene einen Punkt M assoziiert, genannt der zu L harmonisch konjugierte Punkt bezüglich A und B. Man sagt auch, (A,B,L,M) sei ein harmonisches Quadrupel. Die Konfiguration bleibt unverändert, wenn wir A mit B und P mit Q vertauschen oder wenn wir L mit M und R mit S vertauschen. Es kommt also nur auf die Zweiermengen {A,B} und {L,M} an.

Satz: Der zu L harmonisch konjugierte Punkt hängt nicht von der Wahl der Punkte P, Q, R und S ab.

Beweis. Es seien
P', Q', R' und S' andere Punkte, so dass A auf P'S' und Q'R', B auf P'R' und Q'S' sowie L auf P'Q' liegt. Dann sind die Dreiecke PQR und P'Q'R' in axialer Perspektive, also nach der Umkehrung des Satzes von Desargues auch in zentraler Perspektive, so dass PP', QQ' und RR' durch einen Punkt gehen. Analog sind die Dreiecke PQS und 'Q'S' in Perspektive, so dass PP', QQ' und SS' durch einen Punkt gehen. Es folgt, dass PP', RR' und SS' durch einen Punkt gehen, also die Dreiecke PRS und P'R'S' in axialer Perspektive sind.  Nach dem Satz von Desargues sind sie auch in zentraler Perspektive, d.h. der Schnittpunkt von RS und R'S' liegt auf der Geraden durch den Schnittpunkt A von PS und P'S' und den Schnittpunkt B von PR und P'R'.

Gegeben seien vier Punkte
P, Q, R, S in der projektiven Ebene, von denen keine drei auf einer Geraden liegen. Ohne Ordnungsaxiome gibt es keine Strecken, also versteht man unter den Seiten eines Vierecks PRQS die Geraden PR, RQ, QS und SP, und unter seinen Diagonalen die Geraden PQ und RS. Ist keine Reihenfolge der Eckpunkte festgehalten, so kann man nicht zwischen Seiten und Diagonalen unterscheiden, und man erhält ein sog. vollständiges Viereck mit sechs Seiten.

Je zwei Seiten, die keine Ecke gemeinsam haben, können die Rolle von Diagonalen spielen, und man erhält drei Diagonalpunkte: Den Schnittpunkt A von PS und QR, den Schnittpunkt B von PR und QS sowie C von PQ und RS. Man nimmt als zusätzliches Axiom an, dass die drei Diagonalpunkte nicht auf einer Geraden liegen.

Die Gerade durch zwei Diagonalpunkte wird von den Seiten, die nicht durch diese Diagonalpunkte gehen, in zwei weiteren Punkten geschnitten, die bezüglich dieser Diagonalpunkte zueinander harmonisch konjugiert sind: BC werde von QR in H und von PS in I geschnitten, CA werde von PR in J und von QS in K geschnitten, und AB werde von PQ in L und von RS in M geschnitten. Die so entstehenden sechs Punkte nennt man die harmonischen Punkte des vollständigen Vierecks.

Durch Dualisierung erhält man den Begriff eines vollständigen Vierseits, bei dem vier Geraden p, q, r, s gegeben sind, von denen keine drei durch einen Punkt gehen. Die paarweisen Schnittpunkte der Seiten sind die sechs Ecken des vollständigen Vierseits.

Satz: Die sechs harmonischen Punkte eines vollständigen Vierecks sind die Eckpunkte eines vollständigen Vierseits.

Beweis: Die Geraden PA, QK und RM gehen durch S, also sind die Dreiecke PQR und AKM in zentraler Perspektive. Nach dem Satz von Desargues sind sie auch in axialer Perspektive, d.h. der Schnittpunkt B von PR und AM, der Schnittpunkt C von PQ und AK sowie der Schnittpunkt von QR und KM liegen auf einer Geraden. Mit anderen Worten, der Schnittpunkt H von QR und BC liegt auf KM.

Ebenso zeigt man, dass I, J, M auf einer Geraden liegen, ebenso H, J, L und schließlich I, K, L.

Satz: Sind L und M harmonisch konjugiert bezüglich A und B, so sind A und B harmonisch konjugiert bezüglich L und M.

Beweis: Wir wählen ein Viereck PQRS entsprechend der Definition der harmonischen Konjugiertheit von L und M bezüglich A und B. Die Diagonalpunkte des vollständigen Vierecks HIJK sind nach dem vorigen Satz die Punkte C, L und M, und die harmonischen Punkte des letzteren Vierecks auf der Geraden LM sind die Punkte A und B, welche somit bezüglich L un M harmonisch konjugiert sind.

Satz: Das Bild eines harmonischen Quadrupels unter einer Projektivität ist ein harmonisches Quadrupel.

Beweis: Es genügt, den Fall einer Perspektive zu bertrachten. Wir betten die Ebene in den Raum ein und wählen zwei Ebenen, die die gegebene Ebene in den gegebenen Geraden schneiden, aber das Zentrum der Perspektive nicht enthalten. Dann setzt sich die Perspektive zwischen Geraden zu einer Perspektive zwischen Ebenen fort. Die Harmonie des ersten Quadrupels bedeutet die Existenz eines gewissen Vierecks in der Originalebene, und das Bild des Vierecks zeigt die Harmonie des Bildquadrupels. Dabei haben wir benutzt, dass die Harmonie nicht von der Wahl der Ebene abhängt, aber das folgt aus demselben Argument angewendet auf die identische Abbildung einer Geraden.

Anwendung: Auf perspektivischen Bildern werden mitunter Folgen von Punkten abgebildet, deren Originalpunkte auf einer Geraden in gleichmäßigem Abstand aufgereiht sind. Jeder Originalpunkt ist Mittelpunkt der Verbindungsstrecke der beiden benachbarten Punkte der Folge. Im Bild ist folglich jeder Punkt harmonisch konjugiert zum Fluchtpunkt bezüglich der beiden benachbarten Punkte. Sind zwei benachbarte Bildpunkte A0 und A1 gegeben, so kann man alle übrigen wie folgt konstruieren: Man wählt auf einer Geraden durch den Fluchtpunkt F, aber nicht durch A0, zwei Punkte P und R und bezeichnet den Schnittpunkt von A0P und A1R mit Q0. Bezeichnen wir nun den Schnittpunkt von A1P und FQ0 mit Q1, so ist A2 der Schnittpunkt von Q1R mit A0F. Bezeichnen wir den Schnittpunkt von A2P und FQ0 mit Q2, so ist A3 der Schnittpunkt von Q2R mit A0F usw.