Ich lernte das Schweigen von den Redseligen, die Toleranz von den Intoleranten, und die Güte von den Lieblosen; dennoch, seltsamerweise, empfinde ich jenen Lehrern gegenüber keine Dankbarkeit.

Khalil Gibran (1883-1931) libanesisch-amerikanischer Dichter und Philosoph


Man lernt eben nicht nur von Vorbildern, sondern auch in Abgrenzung zu Menschen. Ein starkes Negativ-Beispiel kann uns dazu bringen für die andere Seite Stellung zu beziehen, einfach weil wir von der an den Tag gelegten Haltung abgestoßen sind. Das sind keine angenehmen Lektionen, die wir so erhalten, aber wir erhalten sie immer wieder. Manchmal ist solche Abgrenzung vielleicht auch der einzige Weg, Sachen zu erfahren und zu lernen. Wie soll ich die Wärme von Liebe und Freundschaft vollständig begreifen, wenn ich die bittere Kälte der Ignoranz nie erfahre? Woher weiß ich, dass es mir gut geht, wenn ich mich nie schlecht gefühlt habe? Es fehlt eine Hälfte, durch die die andere erst komplett wird.
Ich will damit sicherlich nicht sagen, dass wir zu anderen Menschen ab jetzt lieblos und intolerant sein sollen, damit sie das Gegenteil mal schätzen lernen. Und wir müssen uns auch nicht selbst in alle möglichen Verderbnisse stürzen, nur damit wir sie mal erlebt haben. Es geht mehr darum, anzuerkennen, dass wir nicht nur durch positive Vorbilder geformt wurden, sondern wir auch durch schlechte Vorbilder gelernt haben, was wir sicherlich nicht sein wollen. Aber deswegen muss man diesen Menschen für ihre Lektionen noch lange nicht dankbar sein.


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