Khalil Gibran (1883-1931) libanesisch-amerikanischer Dichter und Philosoph
Übertreibungen müssen ja einen Funken Wahrheit enthalten. Sie sind eine Mischung aus Wahrheit und Dichtung. Das steckt einfach in dem Wort. Ich brauche ja beim Übertreiben eine wahre Begebenheit, die ich dann steigere und schließlich übertreibe. Gutes Übertreiben ist eine hohe Kunst. Loriot hat das mal an seinem berühmten Stück vom schiefen Bild erklärt. Da gibt es eine wahre Begebenheit, Loriot sitzt im wartezimmer, sieht ein schief hängendes Bild, geht hin und rückt es wieder gerade und es passiert... nichts! Das ist die Wahrheit und sie ist, naja, etwas langweilig. Also muss der Künstler übertreiben, um aus dieser Situation das großartige Stück zu machen, über das wir alle so lachen können. Manchmal ist die Wahrheit einfach zu langweilig und sie wäre doch so gerne interessant, also steigert sie sich etwas und dann kommt am Ende eine schöne Geschichte raus. Solange die Geschichte nur unterhaltne will, ist da auch wenig gegen einzuwenden. Schwierig wird es, wenn jemand übertreibt, um mehr Mitleid zu erzeugen oder seine Situation viel dramatischer darzustellen als sie eigentlich ist. Da hört der Spaß dann irgendwann auf. Vor allem dann, wenn andere durch solche Übertreibungen mit reingezogen werden und es ihnen ein Schaden entsteht.