Prozentrechnung: Implikationen
Ein Beweisprinzip ("Modus Barbara" oder "Kettenschluss") der
klassischen Logik ist:
- Alle A sind B.
- Alle B sind C.
- Daraus folgt: Alle A sind C.
(Beispiel: Alle Griechen sind Menschen. Alle Menschen sind sterblich.
Daraus folgt: Alle Griechen sind sterblich.)
Wie steht es nun, wenn nur gilt:
- Die meisten A sind B.
- Die meisten B sind C.
Dabei meint man mit "die meisten A" zum Beispiel 80% oder 90% oder sogar 99,99% ...
Also etwa:
- 90 % der A sind B.
- 90 % der B sind C.
Frage: Folgt daraus
- Mindestens x % der A sind C ?
mit x = 90 %, oder wenigstens x = 81 %, oder ... ?
Antwort: Es kann sein, dass gilt:
Beispiel.
- Die meisten Menschen, die in Köln leben, sind Deutsche.
- Die meisten Deutsche leben nicht in Köln.
(also: A = Einwohner von Köln, B = Deutscher, C = "nicht A")
Hier die absoluten Zahlen:
Einwohnerzahl von Köln: 1.007.119 (Stand: 31. Dez. 2009),
davon waren 172.845 Ausländer
Einwohnerzahl von Deutschland: etwa 82.000.000,
davon etwa 7.000.000 Ausländer, also 75.000.000 Deutsche
Also: 83 % der Einwohner von Köln sind Deutsche,
98,7 % der Deutschen leben nicht in Köln.
Betont sollte werden: Zweimal wird die Wendung "die meisten"
verwendet, relevant ist nur die zweite Verwendung. Im ersten Satz
könnte durchaus "alle"stehen, also:
- Alle Kölner sind Deutsche.
- Die meisten Deutsche leben nicht in Köln.
(Formal: Alle A sind B, die meisten B sind C, mit C = "nicht A").
Zweites Beispiel: In einer Kindergruppe kann gelten (hier bedeutet "die meisten":
80 %):
- Die meisten Mädchen sind Brillenträger
(also: 80 % der Mädchen sind Brillenträger)
- Die meisten Brillenträger sind Jungen.
(also: 80 % der Brillenträger sind Jungen)
(also: A = Mädchen, B = Brillenträger, C = Junge)
Beispiel-Matrix:
| Mädchen
| Jungen
|
---|
Brille
| 4
| 16
|
---|
keine Brille
| 1
| ?
|
---|
Beachte:
- Die Aussage "Die meisten Mädchen sind Brillenträger" betrifft die erste Spalte.
- Die Aussage "Die meisten Brillenträger sind Jungen" betrifft die erste Zeile
Die Werte in der ersten Zeile und die der ersten Spalte haben nichts miteinander zu tun
(außer natürlich dem Eintrag in der ersten Zeile und ersten Spalte).
Zusatz:
Das ? in der zweiten Zeile und zweiten Spalte kann ein ganz beliebiger Wert sein.
Ersetzen wir ? durch die Zahl 0, so gilt in dieser Gruppe:
"Alle Jungen der Gruppe sind Brillenträger".
Ersetzen wir ? durch die Zahl 64, so gilt:
"Die meisten Jungen der Gruppe sind
keine Brillenträger".
| Mädchen
| Jungen
|
---|
Brille
| 4
| 16
|
---|
keine Brille
| 1
| 0
|
---|
|
|
| Mädchen
| Jungen
|
---|
Brille
| 4
| 16
|
---|
keine Brille
| 1
| 64
|
---|
|
Die beiden Aussagen "Die meisten Mädchen sind Brillenträger" und
"Die meisten Brillenträger sind Jungen" liefern also keinerlei Information
darüber, ob viele oder wenige der Jungen Brillenträger sind.
Auch die Krankheitstests sollen hier nochmals thematisiert werden.
Hier ist die entsprechende Matrix unseres Test-Beispiels:
| krank
| gesund
| Summe
|
---|
"krank"
| 99 000
| 799 000
| 898 000
|
---|
"gesund"
| 1 000
| 79 101 000
| 79 102 000
|
---|
Summe
| 100 000
| 79 900 000
| 80 000 000
|
Dabei steht "gesund" fur diejenigen, die laut Test gesund sein sollen,
"krank" fur diejenigen, die laut Test krank sein sollen.
Hier sind die beiden Spalten vorgegeben:
- Die meisten Kranken werden vom Test als "krank" erkannt (erste Spalte)
- Die meisten Gesunden werden vom Test als "gesund" erkannt (zweite Spalte)
Trotzdem gilt:
- Die meisten, die vom Test als "krank" eingestuft werden, sind gesund.
Siehe: Jörg Meyer: Zweistufige Zufallsexperimente. In: Praxis der Mathematik
in der Schule 39 (2011), 19-24.