Simpliziale Approximation

Definitionen

Satz: Existenz einer simplizialen Approximation). Seien X, Y endliche Simplizialkomplexe. Sei f : |X| → |Y| stetig. Dann gibt es eine natürliche Zahl n und eine simpliziale Approximation g : βnX → Y zu f.
Der Beweis wird genauer zeigen, wie man eine simpliziale Approximation erhält. Dazu brauchen wir den Begriff des Sterns einer Ecke:

Die detaillierte Fassung des Satzes über die simpliziale Approximation lautet:
Seien X, Y endliche Simplizialkomplexe. Sei f : |X| → |Y| stetig.
  • Es gibt eine natürliche Zahl n, sodass für die n-te baryzentrische Unterteilung βnX von X gilt: Zu jeder Ecke p von βnX gibt es eine Ecke p' von Y, sodass f(st(p)) in st(p') enthalten ist.
  • Gibt es zu jeder Ecke p von X eine Ecke g(p) von Y, sodass f(st(p)) in st(g(p)) enthalten ist, so ist g eine simpliziale Abbildung und zwar eine simpliziale Approximation von f.
Sind X, Y endliche Simplizialkomplexe, so gibt es natürlich nur endliche viele simpliziale Abbildungen X → Y.

      Beispiel. Es sei Y die Triangulierung der 1-Sphäre S1 mit drei Ecken . Ist X ein beliebiger 1-dimensionaler Simplizialkomplex mit n Ecken, so sind alle Abbildungen von der Eckenmenge von X in die Eckenmenge von Y simplizial, es gibt also genau 3n simpliziale Abbildungen X → Y.

      Insbesondere gibt es genau 27 simpliziale Abbildungen Y → Y, und man erhält auf diese Weise Abbildungen S1 → S1 mit Abbildungsgrad -1, 0, 1.
      Betrachten wir die baryzentrische Unterteilung βY, also: , so liefern die 36 simplizialen Abbildungen βY → Y Abbildungen S1 → S1 mit Abbildungsgrad -2, -1, 0, 1 und 2.
      Ist dagegen Y' die Triangulierung der 1-Sphäre S1 mit vier Ecken , so ist offensichtlich nicht jede Abbildung von der Eckenmenge von Y oder βY in die Eckenmenge von Y' simplizial.

Da es in jeder Homotopieklasse stetiger Abbildungen |X| → |Y| eine simpliziale Abbildung βnX → Y gibt, sieht man:
Satz. Sind X, Y endliche Simplizialkomplexe, so gibt es höchstens abzählbar viele Homotopieklassen stetiger Abbildungen |X| → |Y|.

Die übliche Vorstellung, dass sich Topologie mit Phänomenen beschäftigt, die sich stetig verändern können, und dass sie Invarianten gegenüber derartigen Deformationen bereitstellt, wird durch das Arbeiten mit simplizialen Approximationen eindringlich modifiziert: es stellt sich heraus, dass sich die topologischen Fragenstellungen, die sich auf endlich triangulierbare Räume und stetige Abbildungen zwischen diesen Räumen beziehen (und dies ist eines der zentralen Arbeitsgebiete der Topologie), auch im Rahmen der simplizialen Topologie formulieren lassen: also mit Hilfe endlicher Simplizialkomplexe und simplizialer Abbildungen.

Die Theorie der endlichen Simplizialkomplexe und simplizialer Abbildungen nennt man auch kombinatorische Topologie. Es handelt sich um eine Theorie, die sich ausschließlich mit endlichen Mengen und Abbildungen zwischen endlichen Mengen beschäftigt.


Anwendungen

Abbildungen Sm → Sn mit m < n

Für m < n ist πm(Sn,*) = 0.


Abbildungen Sn → Sn

Wir konstruieren nun mit Hilfe von Triangulierungen Selbstabbildungen von Sn: Sei X ein Simplizialkomplex mit Sn = |X|. Ist σ ein n-Simplex, so ist σ/Rand homöomorph zur Sn. Wir definieren eine Abbildung pσ : |X| → Sn auf folgende Weise: Sei A die Vereinigung aller |τ|, wobei τ die von σ verschiedenen Simplizes von X durchläuft. Sei pσ : Sn → Sn/A = σ/Rand = Sn die kanonische Projektion. Dabei können wir zusätzlich voraussetzen, dass pσ homotop zur identischen Abbildung ist.

Betrachte die n! affinen bijektiven Abbildungen eines Simplexes σ auf sich (oder besser, die davon induzierten Selbstabbildungen von σ/Rand auf sich): man sieht leicht, dass es höchstens zwei Homotopieklassen derartiger Abbildungen gibt. Wir können uns auf den Fall n=2 beschränken; die Hintereinanderschaltung zweier Spiegelungen ist eine Drehung, und alle Drehungen sind homotop zueinander. Wir bezeichnen wit pσ' die Hintereinanderschaltung von pσ mit einer orientierungsumkehrenden bijektiven Selbstabbildung von Sn.
Lemma. πn(Sn,*) ist zyklische Gruppe, die von der Homotopieklasse [1] der identischen Abbildung erzeugt wird. Genauer gilt folgendes:
Es gilt: πn(Sn,*) = Z, und zwar wird πn(Sn,*) als Gruppe von der Homotopieklasse der identischen Abbildung erzeugt.

Claus Michael Ringel
Last modified: Thu Jan 22 08:02:30 CET 2004