VORBERICHT
Die Anzahl der Rechenbücher, welche sowohl in
Deutschland als anderwärts herausgegeben worden, ist so gross
und überhäuft, dass manchem diese Arbeit höchst
unnöthig und überflüssig scheinen möchte.
Allein da auf Allergnädigsten Kaiserlichen Befehl die Russische
Jugend sowohl in der Arithmetik als Geometrie auf das fleissigste
unterrichtet werden soll, so ereigneten sich sehr grosse
Schwierigkeiten, wann man sich zu diesem Ende anderwärts
gedruckter Anleitungen bedienen wollte.
Dann ausserdem, dass dazu
auch in Russischer Sprache hinlängliche und taugliche
Bücher erfordert werden, so würde auch die Verschreibung
einer so grossen Anzahl Exemplarien, als vonnöthen sind, von
anderen Orten her mit nicht geringer Unbequemlichkeit und wenigem
Vortheil geschehen können: ein anderwärts verfertigtes und
gedrucktes Werk aber nachzudrucken und ins Russische zu ubersetzen,
hat man vieler Ursachen wegen Bedenken getragen. Über das
befinden sich bei den meisten ausländischen Rechenbüchern
solche Mängel, welchen man allhier abzuhelfen für
höchst rathsam hielt.
Dann entweder sind darinn nichts als die
blossen Regeln nebst einer grossen Anzahl Exempel enthalten; von dem
Grunde aber und den Ursachen, worauf die Regeln beruhen, wird nicht
die geringste Meldung gethan: oder dergleichen Anweisungen gehen
zwar auf das wahre Fundament der Rechenkunst, der Vortrag aber ist
so beschaffen, dass sich nicht leicht andere, als welche sich an
die Mathematische Lehrart gewöhnet haben, darein finden
können; und über das pflegt man sich bei solchen
Abhandlungen nicht genugsam um die Vortheile und Compendia, wodurch
die Fertigkeit und Geschwindigkeit im Rechnen erlanget wird, zu
bekümmern, sondern begnügt sich, von allem den Grund nur
mit kurzem anzuweisen.
Da nun die Erlernung der Rechenkunst ohne
einigen Grund weder hinreichend ist, alle vorkommenden Fälle
aufzulösen, noch den Verstand schärfet, als dahin die
Absicht insonderheit gehen sollte; so hat man sich bemühet, in
gegenwärtiger Anleitung von allen Regeln und Operationen den
Grund so vorzutragen und zu erklären, dass denselben auch
solche Leute, welche in gründlichen Abhandlungen noch nicht
geübet sind, einsehen und verstehen können: dabei aber hat
man gleichwohl die Regeln und Vortheile, welche im Rechnen
zustatten kommen können, ausführlich beschrieben und mit
Exempeln genugsam erläutert. Durch diese Einrichtung verhofft
man also diesen Vortheil zu erlangen, dass die Jugend ausser der
gehörigen Fertigkeit im Rechnen den wahren Grund von einer
jeglichen Operation immer vor Augen habe, und dadurch zu
gründlichem Nachdenken nach und nach angewöhnet
werde.
Dann wann man auf diese Art nicht nur die Regeln begreift, sondern
auch den Grund und Ursprung derselben deutlich einsieht, so wird man
einigermassen in Stand gesetzt, selbsten neue Regeln zu erfinden und
vermittelst derselben solche Aufgaben aufzulösen, zu welchen
die sonst gewöhnlichen Regeln nicht hinreichend sind. Man hat
auch im geringsten nicht zu befürchten, dass die Erlernung der
Arithmetik auf diese Art schwerer fallen und mehr Zeit erfordern
werde, als wann man nur die blossen Regeln ohne einigen Grund
vorträgt.
Dann ein jeder Mensch begreift und behält
dasjenige im Gedächtnis viel leichter, wovon er den Grund und
Ursprung deutlich einsieht; und weiss sich auch dasselbe bei allen
vorkommenden Fällen weit besser zu Nutz zu machen. Über
das wer eine jegliche Kunst und Wissenschaft aus dem Grunde
erlernet, der sieht auch ohne Anleitung von selbsten viele Sachen
ein, welche in Ermanglung des Grunds demselben mit grosser Mühe
beigebracht werden müssen.
Insonderheit aber ist eine solche
gründliche Anleitung zur Arithmetik zur Unterrichtung der
Jugend um so viel nützlicher und nöthiger, da dieselbe
eine ziemlich lange Zeit in Sprachen und anderen Stücken, bei
welchen eine gründliche Erkenntnis nicht einmal stattfindet,
unterwiesen, dabei aber im geringsten nicht angeführet wird,
einer Sache gründlich nachzusinnen; woraus nachgehends bei
allen Unternehmungen nicht geringe Hindernisse entstehen.
Diesem
Fehler kann nicht wohl füglicher abgeholfen werden, als dass
man der Jugend die Arithmetik, welche ohne das in diesen Jahren
erlernet werden muss, auf das gründlichste vortrage, und
dadurch die Gewohnheit, richtig zu denken, beibringe. Zu diesem
Endzweck ist auch kein Studium bequemer als die Mathematik, dann
darinn wird alles aus den ersten Grundsätzen unserer Erkenntnis
auf das deutlichste hergeleitet und auf das gründlichste
bewiesen, dahingegen in den anderen Wissenschaften sich noch sehr
viel Undeutliches und Unrichtiges befindet, auch sogar öfters
falsche Sachen für Wahrheiten ausgegeben werden.
Um dieser
Ursachen willen hat man in gegenwärtiger Abhandlung die
arithmetischen Regeln und Operationen aus der Natur der Zahlen
selbst und der Beschaffenheit der gebräuchlichen Charactere so
hergeleitet, dass ein jeder auch ohne besondere Anführung
sowohl die Operationen begreifen und darinn eine Fertigkeit
erlangen, als auch den Grund davon verstehen kann.
Man hat zu
diesem Ende die ganze Anleitung in Sätze verfasst, in welchen
entweder die Regeln selbst, oder was zum Begriff derselben dienet,
kurz und deutlich vorgetragen wird. Diesen Sätzen sind ferner
ausführliche Erklärungen beigefüget, worinn
dasjenige, was in einem jeglichen Satze enthalten ist, genugsam
erläutert und der Grund davon angezeiget wird: und endlich hat
man einer jeden Operation einige Exempel angehängt, aus welchen
der Nutzen und Gebrauch derselben ersehen werden kann.
Was die Ordnung und Einrichtung des ganzen Werks selbst betrifft,
so hat man für das erste aus der Arithmetik nur dasjenige abgehandelt,
was gemeiniglich von den Rechenmeistern gelehret zu werden pflegt, und
in dem gemeinen Leben unentbehrlich ist.
Hierauf folget sodann
derjenige Theil der Arithmetik, welcher zu der Geometrie und den
übrigen Theilen der Mathematik erfordert wird, und die
Dezimalrechnung nebst der Extractione Radicum in sich begreift, und
endlich auch die Lehre von den Logarithmis und derselben Gebrauch
erkläret. Die gemeine Arithmetik wird am füglichsten in zwei Theile
zertheilet; davon der erstere die so genannten Species mit ganzen und
gebrochenen Zahlen erstlich an und für sich selbst, und dann die
Application derselben auf verschiedene Sorten als von Münzen, Maass,
Gewicht und dergleichen in sich fasst. In dem zweiten Theile werden
die verschiedenen Regeln der Arithmetik erkläret werden, so zu
Auflösung verschiedener im gemeinen Leben vorkommenden Aufgaben
dienen, als da sind die Regula de tri sowohl Directa als Inversa, die
Regula Quinque, die Regulae Societatis, Alligationis, und
dergleichen. Endlich wird der dritte Theil, wie schon gemeldet,
diejenigen Operationen der Arithmetik in sich enthalten, welche zu den
geometrischen und übrigen mathematischen Rechnungen
insonderheit erfordert werden.