Lineare Abbildungen

(Dies ist sicher der wichtigste Begriff der linearen Algebra!)

Definitionen

Sei K ein Körper, seien V, W K-Vektorräume.

Eine Abbildung f : V → W heißt linear falls gilt:

Ist f : V → W linear, so gilt: (Statt von einer "linearen Abbildung" spricht man oft auch von einer linearen Transformation oder einem Homomorphismus von Vektorräumen).

Kern und Bild

Sei f : V → W linear. (Statt Ker(f) schreiben viele Ker(f) oder ker(f), statt Bild(f) wird of Im(f) (dabei steht "ker" für "kernel", "im" für "image".)

  • Kern(f) ist ein Untervektorraum von V,
  • Bild(f) ist ein Untervektorraum von W.

  • Trivial ist: Genau dann ist f surjektiv, wenn Bild(f) = W gilt.
  • Nicht ganz trivial dagegen ist: Genau dann ist f injektiv, wenn Kern(f) = 0 gilt.

Wichtig: Sei f : V → W linear. #
Unter f wird die Linearkombination Σi λivi auf die Linearkombination Σi λif(vi) abgebildet:
f(Σi λivi) = Σi λif(vi)
(alle vi in V, alle λi in K, nur endlich viele λi von Null verschieden)
Es folgt:
  • Ist vi (i in I) ein Erzeugendensystem von V, so ist f(vi) (i in I) ein Erzeugendensystem von Bild(f).
  • Ist die Famile vi (i in I) in V linear abhängig, so ist die Familie f(vi) (i in I) in V linear abhängig,

Beispiele

Der Dimensionssatz für lineare Abbildungen

Satz (Dimensionssatz für lineare Abbildungen).
Seien V, W Vektorräume, sei f : V → W eine lineare Abbildung.
Ist V endlich erzeugt, so sind auch Kern(f) und Bild(f) endlich erzeugt und es gilt
dim Kern(f) + dim Bild(f) = dim V.

Man nennt dim Bild(f) den Rang von f. Also kann man auch schreiben:

dim Kern(f) + Rang(f) = dim V.

Folgerung: Seien V, W Vektorräume der Dimension n. Sei f : V → W eine lineare Abbildung. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:
  1. f ist injektiv,
  2. f ist surjektiv,

Wir werden weiter unten zeigen, dass derartige lineare Abbildung "Isomorphismen" sind.

"Freiheit"

Sei V ein Vektorraum mit Basis B. Ist eine lineare Abbildung f : V → W gegeben, so ist f eindeutig durch die Werte f(b) bestimmt, andererseits kann man derartige Werte beliebig vorschreiben! Dies gerade besagt der folgende Satz:

"Freiheit" Sind V, W K-Vektorräume und ist B = {bi | i in I} eine Basis von V mit Indexmenge I, so entsprechen die linearen Abbildungen f : V → W bijektiv den mengentheoretischen Abbildung I → W, auf folgende Weise: der linearen Abbildung f : V → W entspricht die Zuordnung, die jedem i in I den Vektor f(bi) zuordnet.
Betrachtet wird hier also
  • Hom(V,W) für die Menge der linearen Abbildungen V → W,
  • Abb(I,W) für alle Abbildungen von I in W (aufgefasst einfach als Menge))
und
  • die Bijektion
    Hom(V,W) Abb(I,W)
    bei der f in Hom(V,W) die Einschränkung f|B zugeordnet wird, dies ist eine mengentheoretische Abbildung B → W (oder eben I → W).

Die Injektivität der Zuordnung besagt:
Eine lineare Abbildung f ist eindeutig durch die Werte f(bi) bestimmt.

Die Surjektivität der Zuordnung besagt:
Man kann diese Werte beliebig vorschreiben.

Oder auch, anders formuliert:

Ist jedem i in I der Vektor vi zugeordnet, so wird durch f(Σ λbi) = Σ λvi eine lineare Abbildung f : V → W definiert (und man erhält auf diese Weise alle linearen Abbildungen).


Komposition von linearen Abbildungen

Rang-Abschätzung für Komposition von linearen Abbildungen. Sind lineare Abbildungen f : V' → V, g : V → V" gegeben, und ist dim V = n, so gilt:
Rang(f)+Rang(g)-n ≤ Rang(gf) ≤ min(Rang(f),Rang(g))

Isomorphismen

Kriterium 1. Seien V, W Vektorräume, sei f : V → W linear.
Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:
  1. Bild(f) = W und Kern(f) = 0.
  2. f ist bijektiv.
  3. Es gibt eine lineare Abbildung g : W → V mit gf = 1V und fg = 1W.
Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, so nennt man f einen Isomorphismus.

Zusatz. Die in (3) gesuchte Abbildung g ist durch f eindeutig bestimmt und ist gerade die mengentheoretische Umkehrabbildung.

Gibt es einen Isomorphismus f : V → W, so nennt man die Vektorräume V und W isomorph.

Kriterium 2. Seien V, W Vektorräume, sei f : V → W linear. Sei vi mit i in I eine Basis von V.
Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:
  1. f ist ein Isomorphismus.
  2. Die Familie f(vi) mit i in I ist eine Basis von W.

Folgerung aus Kriterium 2. Seien V, W isomorphe Vektorräume. Ist V endlich-erzeugt, so ist auch W endlich erzeugt und dim V = dim W.


Erste Folgerung aus der "Freiheit":

Folgerung 1 aus der "Freiheit": die Koordinatisierungsabbildung ΦB.

Ist B = { b1, ..., bn} eine Basis von V, so erhalten wir eine (und nur eine) lineare Abbildung

ΦB : Kn → V mit ΦB(ei) = b1,
und dies ist ein Isomorphismus.

Folgerung 1'. Jeder Vektorraum der Dimension n ist isomorph zu Kn.

Folgerung 1". Alle Vektorräume der Dimension n sind zueinander isomorph.


Lineare Abbildungen und Matrizen

Beschränkt man sich auf endlich-erzeugte Vektorräume, so gibt es eine klare Entsprechung zwischen linearen Abbildungen und Matrizen - dies wird in den hellblau-unterlegten Feldern thematisiert:
Es gibt eine Art Wörterbuch, wie Begriffe der abstrakten linearen Algebra den Begriffen der Matrizentheorie entsprechen. Die hellblau-unterlegten Felder zeigen dies.

Jede (m×n)-Matrix A mit Koeffizienten in K liefert eine lineare Abbildung fA : Kn → Km, die durch
fA(v) = Av
(Matrizen-Multiplikation; wir fassen v als Spaltenvektor auf).
definiert ist.

Sind A, B (m×n)-Matrizen mit Koeffizienten in K, und ist fA = fB, so ist A = B.


Folgerung 2 aus der "Freiheit": Es gilt auch die Umkehrung!

Zu jeder linearen Abbildung f : Kn → Km gibt es eine (m×n)-Matrix A = M(f) mit Koeffizienten in K, sodass gilt f = fA.

Umformulierung:

Die Zuordnung, die einer Matrix A in M(m×n,K) die Abbildung fA zuordnet ist eine Bijektion zwischen

M(m×n,K)
und
der Menge der linearen Abbildungen f : Kn → Km
Merkregel für die Bestimmung der Matrix A = M(f).

Der linearen Abbildungen f : Kn → Km wird die (m×n)-Matrix A = M(f) zugeordnet, mit

die j-te Spalte von A ist f(ej).

Komposition.
fAB = fAfB
Also: Die Matrizen-Multiplikation (links) entspricht der Hintereinanderschaltung von Abbildungen (rechts).
Invertierbarkeit von Matrizen.
Ist A in M(m×n,K), B in M(n×m,K) mit AB = Im und BA = In, so ist m = n.

Kern, Bild, Rang
  • Kern(fA) = Loes(A,0),
  • Bild(fA) = C(A) (der von den Spalten erzeugte Unterraum)
  • Rang(fA) = Rang(A)

  • Genau dann ist fA injektiv, wenn die Spalten von A linear unabhängig sind.
  • Genau dann ist fA surjektiv, wenn die Spalten von A den Raum Km erzeugen.
  • Genau dann ist fA bijektiv (also ein Isomorphismus, wenn die Spalten von A eine Basis bilden, also genau dann, wenn die Matrix A invertierbar ist.


Das Zusammenspiel der Folgerungen 1 und 2:


Seien V, W Vektorräume, sei dim V = n, dim W = m. Sei V eine Basis von V, W eine Basis von V. Dann erhalten wir eine Bijektion zwischen den linearen Abbildungen f : V → W und den (n×m)-Matrizen mit Koeffizienten in K durch
  • A wird zugordnet ΦW fAΦV-1
  • f wird zugeordnet die Matrizendarstellung von ΦW-1f ΦV.
 fA  
Kn    Km
↓ΦV     ↓ΦW
V   W
 f  

Ist fA = ΦW-1 f ΦV, so schreiben wir A = MVW(f) und sagen, dass A die darstellende Matrix von f bezüglich der Basen V und W ist.

Ist f : Kn → Km linear und bezeichnen wir mit E jeweils die Standard-Basis von Kn wie auch von Km, so ist MEE(f) = M(f).


Ist V = {v1,...,vn} eine Basis von Kn (aufgefasst als Raum von Spaltenvektoren), so sei M(V) die Matrix, deren j-te Spalte gerade vj ist.
Dann gilt:

M(V) = M(ΦV)
dies ist die darstellende Matrix von ΦV.


Nun sei A eine (m×n)-Matrix mit Koeffizienten in K. Betrachte die Abbildung fA. Basiswechsel in Kn und Km liefert:

 fB  
Kn    Km
↓ΦV     ↓ΦW
Kn   Km
 fA  
Also die Matrizengleichung:
B = M(W)-1A M(V).


Auswertung des Beweises der Dimensionsformel:

Satz. Seien V, W endlich-erzeugte Vektorräume, sei f : V → W lineare Abbildung. Dann gibt es Basen V von V und W von W mit MVW(f) = B mit


Sei K ein Körper. Seien A, B (m×n)-Matrizen mit Koeffizienten in K. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:
  1. Es gibt Vektorräume V, W und eine lineare Abbildung f : V → W, so dass A und B darstellende Matrizen von f (bezüglich irgend welcher Basen) sind.
  2. fB ist darstellende Matrix von fA (bezüglich einer Basis V von Kn und einer Basis W von Km.
  3. Es gibt invertierbare Matrizen P, Q mit PAQ = B.
  4. A, B haben den gleichen Rang.
Man nennt in diesem Fall die Matrizen A und B äquivalent.. (Meist nimmt man die Aussage (3) als Definition der Äquivalenz von Matrizen.)

Fakultät für Mathematik, Universität Bielefeld
Verantwortlich:
C.M.Ringel
E-Mail: ringel@mathematik.uni-bielefeld.de