Satz. Sei X ein topologischer Raum, seien U,U' offene Teilmengen,
die X überdecken, und es seien U, U' und der Durchschnitt U"
von U und U' nicht leer und weg-zusammenhängend. Bezeichnet man
die Inklusionsabbildungen mit i: U" → U, i': U" → U',
j: U → X und j': U' → X und wählt man x0 in U",
so ist das Diagramm
![]() ein Pushout in der Kategorie der Gruppen. |
Das heißt:
Statt der zweiten Bedingung wird meist die dritte folgendermaßen verschärft: man verlangt, dass die gesuchte Abbildung q eindeutig ist; man kann sich leicht überlegen, dass die Eindeutigkeit aus der Bedingung 2. folgt, und dass umgekehrt die Eindeutigkeit der Abbildung q in 3. die Bedingung 2. impliziert.
Beweis von 2.: Zu zeigen ist:
Jede Schleife in X lässt sich bis auf punktierte Homotopie als Produkt von Schleifen schreiben, die jeweils ganz in U oder in U' liegen. |
Gegeben sei also ω: I → X mit ω(0) = x0 = ω(1). Betrachte die offene Überdeckung von X durch ω-1(U) und ω-1(U') und dazu eine Lebesgue-Zahl δ. Ist k eine natürliche Zahl > 1/δ, so liegt jedes Intervall der Form [(i-1)/k,i/k] ganz in ω-1(U) oder ganz in ω-1(U').
Setze xi = ω(i/k). Wähle einen Weg τi von x0 zu diesem Punkt xi, und zwar den konstanten Weg für i= 0 und i = k, ansonsten:
Folgerung aus 2.: Ist π1(U,x0) = {1} = π1(U',x0), so auch π1(X,x0) = {1}.
Anwendung: Ist n > 1, so kann man die Sn durch zwei offene, zusammenziehbare Teilräume überdecken, so dass der Durchschnitt weg-zusammenhängend ist. Also ist π1(Sn,x0) = {1} für n > 1.
Beweis von 3.: Seien Gruppen-Homomorphismen α: π1(U,x0) → Q und β: π1(U',x0) → Q mit αi* = βi'* gegeben. Diese Bedingung besagt also: Ist ω eine Schleife in X, deren Bild im Durchschnitt von U und U' liegt, so ist α([ω]U) = β([ω]U'). (Dabei haben wir den jeweiligen Index hinzugefügt, um zu betonen, dass die Bildung der Homotopieklasse einmal in U und einmal in U' erfolgt.)
Ist ω eine Schleife in X, deren Bild ganz in U oder ganz in U' liegt, so schreiben wir
Wir zeigen nun:
Behauptung A.
Sind Schleifen ωi mit 1 ≤ i ≤ n gegeben,
wobei jedes der Bilder ganz in U oder ganz in U' liegt, und ist
ω1...ωn nullhomotop, so gilt
γ(ω1)...γ(ωn) = 1 in Q.
Sei also H: I × I → X eine Wege-Homotopie zwischen ω1...ωn und dem konstanten Weg ε.
Zur offenen Überdeckung {H-1(U),H-1(U')} von I × I gibt es eine Lebesgue-Zahl δ, also gibt es eine natürliche Zahl k, so dass die Quadratzerlegung von I×I in k×k gleichgroße Quadrate die Eigenschaft hat: jedes kleine Quadrat liegt ganz in H-1(U) oder ganz in H-1(U'). Wir können zusätzlich voraussetzen, dass k ein Vielfaches von n ist.
Betrachte nun die Punkte xij = H(i/k,j/k) mit 0 ≤i ≤ k und 1 ≤ j ≤ k. Wir wählen jeweils einen Weg τij von x0 zu diesem Punkt, und zwar den konstanten Weg, falls x0 = xij; ansonsten:
Bilde
Wir können also γ(fijo) und γ(gijo) bilden und erhalten Elemente in Q.
Behauptung B: Es gilt
Beweis: Wir können annehmen, das das Quadrat mit den Ecken ((i-1)/k,(j-1)/k), (i/k,(j-1)/k), ((i-1)/k,j/k), (i/k,j/k) ganz in H-1(U) liegt. (Ansonsten liegt es ganz in H-1(U'), und der Beweis ist analog.) Insbesondere liegen die Ecken in H-1(U) und demnach auch die τ-Wege zu den Ecken. Wir sehen also, dass die Schleifen fi,j-1o, fijo, gi-1,jo und gijo alle in U liegen. Die Produkte der Schleifen fi,j-1ogijo und gi-1,jofijo sind homotop in U, wie die Einschränkung von H auf dieses Quadrat zeigt. Also ist γ(fi,j-1o) γ(gijo) = γ(gi-1,jo) γ(fijo). Damit ist die Behauptung B bewiesen.
Geeignete dieser Elemente sollen nun multipliziert werden, und zwar
entlang von "Treppenwegen" von (0,0) nach (1,1), wobei wir sukzessive
γ(fi,j-1o)
γ(gijo) durch
γ(gi-1,jo)
γ(fijo).
ersetzen:
Dies zeigt die Behauptung A: Denn in Q gilt:
γ(ω1)...γ(ωn)
= γ(f1,0o)...
γ(fk,0o)
= γ(f1,0o)...
γ(fk,0o)
γ(gk,1o)...
γ(gk,ko)
- hier haben wir noch konstante Schleifen (oder besser, deren Bilder unter
γ) hinzugefügt.
Nach den k×k Ersetzungen ergibt sich
γ(g0,1o)...
γ(g0,ko)
γ(f1,ko)...
γ(fk,ko),
und hier sind alle Faktoren gleich 1, denn alle auftretenden
Schleifen sind konstant!
Anwendung 1. Sei X die punktierte Summe von t 1-Sphären. Die Kommutator-Faktorgruppe der Fundamentalgruppe von X ist Zt. |
Genauer: X sei die punktierte Summe der 1-Sphären X1,...,Xt,
mit Basispunkt x0.
Die Fundamentalgruppe von jedem Xi ist Z, sagen wir mit
erzeugendem Element ci. (Als ci kann man und wird man gerade die
Homotopieklasse der identischen Abbildung Xi → Xi nehmen!)
Betrachte nun die Fundamentalgruppe π1(X,x0) von X. Jedes Element
g in π1(X,x0) ist Produkt
Sei nun zi die Summe der Zahlen e(j) mit s(j) = i. Setze (Ist g die Homotopieklasse der Schleife ω: S1 → X, so betrachte man die Hintereinanderschaltung S1 → X → Xi von ω mit der kanonischen Abbildung X → Xi, die die restlichen 1-Sphären zusammenschlägt. Die Zahl zi ist gerade der Abbildungsgrad dieser Abbildung S1 → X → Xi.)
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Beispiel: Die Fundamentalgruppe der reellen projektiven Ebene ist eine zyklische Gruppe der Ordnung 2. |
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Bemerkung.
Man sollte sich hier noch einmal klar machen, dass U gerade ein
Möbius-Band ist
(siehe auch Übungsaufgabe 5.4.)
,
dass das Möbiusband homotopie-äquivalent zu seiner
Mittellinie ist und dass der Rand des Möbiusbands homotop zur
zweimal durchlaufenen Mittellinie ist.
Aufgabe. An allen Modellen der reellen projektiven Ebene (zum Beispiel der Boy'schen Fläche) suche man Schleifen η, die die Fundamentalgruppe erzeugen, und man verifiziere [η]2 = 1.
Der Beweis lässt sich mühelos verallgemeinern und liefert:
Anwendung 2.
Die Kommutator-Faktorgruppe der Fundamentalgruppe der
Fläche Fg ist Z2g.
Die Kommutator-Faktorgruppe der Fundamentalgruppe der Fläche Ng ist Zg-1× C2. |
Die offene Teilmenge U von P entstehe aus P durch Wegnahme
der abgeschlossenen Kreisscheibe mit Radius 1/2. Es sei U' die offene
Kreischeibe mit Radius 3/2.
Also ist der Durchschnitt von U und U' der offene Kreisring, dessen
Ränder die Kreise mit Radius 1/2 und 3/2 sind.
Sei nun x0 = (1,0).
Alle Voraussetzungen,
um den Satz von Seifert-Van Kampen anzuwenden, sind wie oben erfüllt!
Wieder gilt:
Im Fall Ng wird unter der Abbildung φi*: Z → Zt das kanonische erzeugende Element auf das Element (2,2,...,2) in Zt abgebildet. In Zt kann man eine Basis wählen, indem man neben den ersten t-1 Elementen der Form (0,...0,1,0,...0) statt (0,...,0,1) das Element (1,1,...,1) wählt. Man sieht dann sofort, dass Zt/Z(2,2,...,2) isomorph zu Zt-1×C2 ist.
Folgerung (Satz 4, Aussage 2). Die Flächen Fg mit g ≥ 0 und Ng mit g ≥ 1 sind paarweise nicht homotopie-äquivalent, also insbesondere nicht topologisch äquivalent. |