Jede Woche (meist zum Wochenende hin) sollen an dieser Stelle einige Highlights des kommenden Bundeskongresses und Informationen über Bielefeld und Umgebung vorgestellt werden - soweit möglich thematisch gebündelt.

1. Lukas Forscherland - Die Lichtwerkstatt 2. Ganz Ostwestfalen im Roboter-Fieber
3. Jüdische Mathematiker in der deutschsprachigen akademischen Kultur 4. Bioinformatik - eine Schlüsselwissenschaft des 21.Jahrhunderts
5. Bielefeld gibt es nicht? 6. Rotkohl: Blaukraut oder Rotkraut?
7. Leonardo da Vinci und Daniel Düsentrieb
 
8. Macht Rechnen Spaß?
 
Macht Ihnen Rechnen Spaß?
Glauben Sie, dass Rechnen den meisten Menschen Spaß macht?
Für die Stiftung Rechnen in Deutschland hat forsa eine repräsentative Untersuchung zur Einstellung der Deutschen zum Rechnen und zur Mathematik durchgeführt, die jetzt veröffentlicht wurde. Ein auf den ersten Blick in sich widersprüchliches Ergebnis ist das folgende:

Interessieren würde hier die genauere Korrelation: könnte es sein, dass all die, die selber Spaß am Rechnen haben, der Meinung sind, sie seien die einzigen, denen es so geht?

Und es hat sich herausgestellt,

  • dass viele Erwachsene ihren Mathematik-Unterricht in guter Erinnerung haben: bei den Befragten zwischen 18 und 65 Jahren belegt er den Rang eins der populärsten Schulfächer,
  • dass Mathematik auch zu den Lieblingsfächern der jetzigen Schüler gehört (nur Sport ist noch beliebter).
  • usw.
(Nicht alle Gründe für die Beliebtheit des Mathematik-Unterrichts sind allerdings ganz unproblematisch: basiert sie doch wohl auch darauf, dass im traditionellen Mathematikunterricht Aufgabenstellungen kleinschrittig strukturiert waren, dass es zu den Aufgaben nur eine richtige Lösung geben durfte, dass vielfach nur Algorithmen abgearbeitet wurden. Immerhin: Mathematik ist kein Laberfach, das wird von vielen geschätzt.)

Es ist gut zu wissen, dass der Mathematik-Unterricht ein durchaus beliebtes Fach ist.

Nur leider: nicht alle sehen das so!
Erinnert sei an die Eröffnungsrede von a Campo, dem Vorsitzenden der MNU, beim Bundeskongress 2009:
Die Akzeptanz des Mathematik-Unterrichts in der Öffentlichkeit ist leider sehr umstritten.
Werbung für Mathematik-Unterricht und IT-Bildung
Im Jahre 2000 gab es deutschlandweit kontroverse Diskussionen, als Rüttgers (im Rahmen des Landtagswahlkampfs NRW) sich für eine Ausweitung der IT-Bildung aussprach, damit Deutschland nicht auf IT-Experten aus dem Ausland angewiesen ist ("Kinder statt Inder") - immerhin wurde auf diese Weise die Bedeutung informationstechnischer Bildung einer breiten Öffentlichkeit bewusst und dies führte unmittelbar zu wachsenden Studentenzahlen nicht nur in der Informatik, sondern parallel dazu auch in der Mathematik (wohl entsprechend der Gleichsetzungen Informatiker = Computer = Rechnen = Mathematik). Jürgen Rüttgers war ab 1994 Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie und ist seit 2000 Ministerpräsident von NRW. Er ist einer der beiden Schirmherren des Bielefelder Bundeskongresses.
Das Jahr 2008 wurde als Jahr der Mathematik ausgerufen und wurde dies wirklich! Mit vielen Ausstellungen, Veranstaltungen und Wettbewerben, mit unzählige Beiträgen in Zeitungen und Zeitschriften: Knobelaufgaben und Übersichtsartikeln - und überraschenderweise all dies ohne die in früheren Jahren immer mitschwingende Hähme, ja Verachtung. Plötzlich bekannten sich viele zur Mathematik und gaben ihre eigene Begeisterung weiter. Die MNU entwickelte zum Jahr der Mathematik einen Mathekoffer, basierend auf Ideen von Hans-Jürgen Elschenbroich und realisiert von Andreas Büchter und Hans-Wolfgang Henn. Gefördert wurde dies von der Deutsche Telekom Stiftung. Ihr Vorsitzender Klaus Kinkel ist der zweite Schirmherr des Bielefelder Bundeskongresses und wird zur Eröffnung kommen.
Vorstellung des Mathekoffers, Didakta 2008
(a Campo, Schavan, Elschenbroich, Kinkel)
Der Bielefelder Bundeskongress
Auf den Seiten Im Blickpunkt wird versucht, einige Veranstaltungen des Bielefelder Bundeskongresses hervorzuheben. Die obigen Zeilen betreffen vor allem die feierliche Eröffnung am Montag, bei der in den Grußworten und der Rede des Vorsitzenden der Stellenwert des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts wohl auf jeden Fall thematisiert werden wird.

Bleiben wir beim Rechnen und dem Umgang mit Zahlen, so wären viele Vorträge und Workshops zu nennen, die sich damit beschäftigen. Nur auf einige wenige kann hier eingegangen werden.

Die Bielefelder Beratungsstelle für Kinder mit Rechenstörungen
Die Bielefelder Beratungsstelle für Kinder mit Rechenstörungen wurde von Jens Holger Lorenz gegründet und wird jetzt von Wilhelm Schipper geleitet; 2009 wurde sie im Wettbewerb Deutschland, Land der Ideen ausgezeichnet.
In einem Gutachten für die KMK hat Schipper im Jahr 2001 herausgearbeitet, man solle auf den undefinerten Begriff Dyskalkulie verzichten. Zur Charakterisierung des Problems reicht es aus, von "besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Rechnens" zu sprechen. Dadurch wird auch deutlich, dass es sich hier in erster Linie um ein schulisches Problem handelt, das (vorrangig) mit schulischen Mitteln angegangen werden muss. (Quelle).
Anzumerken ist hier, dass es mittlerweile einen riesigen Markt an privaten Instituten gibt, die sich mit "Rechenschwäche und Dyskalkulie" beschäftigen - offensichtlich scheint dies durchaus lukrativ zu sein. Schon vor 10 Jahren schrieb Schipper, dass diese Einrichtungen wie die Pilze aus dem Boden schießen und es dringend notwendig sei, einen "Therapeuten-TÜV" einzuführen - aber so etwas gibt es immer noch nicht. Grundsätzlich muss aber die adäquate Förderung gerade auch rechenschwacher Kinder als integrale Aufgabe der Grundschule gesehen werden. Siehe auch: W.Schipper: Rechenstörungen. Standpunkt. MNU, Jahrgang 62, Heft 7.
Die Vorträge G 30.03 von W. Schipper, M 30.04 von S.Wartha und der Workshop GW 30.04 = MW 30.04 (Leitung W.Schipper, A.Schulz, S.Wartha) beschreiben als erstes Symptome und Diagnosemöglichkeiten von Lernschwierigkeiten im Mathematik-Unterricht, um anschließend Fördermöglichkeiten für rechenschwache Kinder aufzuzeigen.
Nicht verwechseln sollte man die Beratungsstelle für Kinder mit Rechenstörungen mit einer Beratungsstelle der Bielefelder Fakultät für Psychologie, die ebenfalls bei Rechenschwierigkeiten berät, aber doch einen etwas anderen Zugang wählt: In erster Linie ist es von Bedeutung, das Selbstwertgefühl des Kindes zu stärken und ihm dazu zu verhelfen, seine Schwäche als etwas Normales begreifen und akzeptieren zu können. (Quelle)
Zahlenblindheit und Fehlvorstellungen
Lorenz hat öfters betont, dass ihn das Arbeiten mit Rechenschwierigkeiten gerade deshalb reizt, weil man auf diese Weise Einblick in ganz allgemeine Denkstrukturen und Denkstrategien gewinnt. Denn ziemlich jeder ist immer wieder gezwungen, sein Denken zu korrigieren, diese Korrekturmechanismen werden aber sonst eher selten thematisert.

Im Workshop GW 30.06 (Leitung A.Fritz-Stratmann) werden Denkstrategien von Kindern vorgestellt. Dabei geht es darum, das individuelle Mathematikverständnis von Kindern mit Strategieanalysen sichtbar zu machen. Empirische Untersuchungen bestätigen ein Entwicklungsmodell des frühen mathematischen Wissens, das 5 aufeinander aufbauende Kompetenzstufen unterscheidet.

Auch soll hier auf den Vortrag M 31.03 von Werner Kirsch hingewiesen werden, in dem das Quadratwurzel-Verfahren bei Abstimmungen erläutert wird. Hier wird versucht, Fehlvorstellungen, mit denen auch mathematisch Versierte zu kämpfen haben, auszuräumen. Es gibt eben auf allen Stufen Zahlenblindheit und Fehlvorstellungen!

Kinder als Mathematiker
Im Workshop MW 30.02 (Kinder und Mathematik - oder besser: Kinder sind Mathematiker, Leitung H.Spiegel) werden Beispiele mathematischen Denkens von Grundschulkindern vorgestellt, analysiert und kommentiert. Ziel ist, dass Lehrerinnen und Lehrer den Zugang von Kindern zur Mathematik mit neuen Augen sehen. Dabei geht es auch darum, zur Kenntnis zu nehmen, was und wie Kinder zu Schulbeginn schon rechnen können.

Der Vortrag G 30.02 von F. Käpnick diskutiert konkrete Aufgaben und zugehörige Kinderlösungen, um an Hand dieser Beispiele Diagnose- und Fördermöglichkeiten mathematisch begabter Grundschulkinder vorzuschlagen, dabei wird er auch auf das besondere Zahlgefühl dieser Kinder eingehen.

 
  Redaktion: CMR. Bildnachweis: Deutsche Telekom Stiftung (1), Schipper (2), Deutschland - Land der Ideen (1).